Aufhebungsvertrag wirksam trotz Androhung einer fristlosen Kündigung
Verstöße gegen das „Gebot fairen Verhandelns“ bei Aufhebungsgesprächen bleiben eine seltene Ausnahme. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG). Geklagt hatte eine Verkaufsangestellte, die einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hatte, diesen aber später wegen einer angeblich widerrechtlichen Drohung anfechten wollte.
Der Sachverhalt
Die Verkaufsangestellte, die seit vier Jahren in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern arbeitete, hatte vielfach Einkaufspreise, die im Warenwirtschaftssystem hinterlegt waren, eigenmächtig und ohne sachlichen Grund reduziert. In mindestens drei Fällen hatte sie nicht nur die Einkaufspreise herabgesetzt, sondern auch die von ihr verkauften Waren zu einem unangemessen niedrigen Preis herausgegeben. Davon erfuhr der Arbeitgeber Mitte November 2019 und konfrontierte die Angestellte mit diesen Vorgängen in einem persönlichen Gespräch am 22.11.2019. Ob er dabei mit einer fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige wegen der Vorfälle drohte, war zwischen den Parteien streitig.
Jedenfalls unterzeichnete die Verkaufsangestellte einen Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis zu Ende November 2019 auflösen sollte, was zu einer erheblichen Verkürzung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten führte.
Wenige Tage später erklärte sie die Anfechtung des Aufhebungsvertrags und berief sich auf eine angebliche „widerrechtliche Drohung“ seitens des Arbeitgebers, woraufhin dieser nun eine fristlose Kündigung wegen des Verdachts der Fälschung von Verkaufszahlen erklärte. Die gegen diese Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage und Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags hatte vor dem erstinstanzlichen Arbeitsgericht Paderborn Erfolg. Das Arbeitsgericht ging nach Zeugenvernehmung davon aus, dass die streitigen Drohungen mit der fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige erklärt worden waren.
Dagegen wies das LAG Hamm die Klage ab. Denn auch bei Richtigkeit der klägerischen Behauptungen zum Gesprächsverlauf gebe es hier keinen Anfechtungsgrund und keinen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns.
Der rechtliche Hintergrund
Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, können ihn meist nicht mit Erfolg anfechten. Zwar sieht § 123 Abs.1 Alt. 2 BGB die Anfechtung vor, wenn ein Vertragspartner zu seiner Zustimmung „widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist“. Allerdings ist die Drohung mit einer Kündigung oder Strafanzeige in der Regel nicht „widerrechtlich“ im Sinne von § 123 Abs.1 BGB. Denn wenn ein „verständiger“ Arbeitgeber Kündigung oder Strafanzeige wegen der bestehenden Verdachtsmomente ernsthaft in Betracht ziehen durfte, hat er zwar gedroht, aber das durfte er auch, so das BAG, sodass eine Widerrechtlichkeit abgelehnt wird.
Ein Aufhebungsvertrag kann im Übrigen unwirksam sein, weil der Arbeitgeber gegen das „Gebot fairen Verhandelns“ verstoßen hat (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18). „Unfair“ ist es, wenn der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Arbeitnehmers erheblich erschwert oder unmöglich macht (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.34).
Die Entscheidung des BAG
Das BAG bestätigte mit seinem Urteil vom 24. Februar 2022 die Entscheidung des LAG Hamm und wies die Revision der Klägerin zurück (6 AZR 333/21). Auch wenn die klägerische Version des Gesprächsverlaufs richtig sein sollte, d.h. wenn der Arbeitgeber mit einer fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige gedroht haben sollte, sei die Drohung nicht widerrechtlich gewesen, da ein verständiger Arbeitgeber im Streitfall eine außerordentliche Kündigung und auch eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung habe ziehen müssen.
Darüber hinaus habe der Arbeitgeber auch nicht unfair verhandelt und dadurch gegen seine Pflichten aus § 311 Abs.2 Nr.1 iVm § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin sei nicht dadurch verletzt worden, dass der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag gemäß § 147 Abs.1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hatte.
Die Arbeitnehmerin musste zwar über die Annahme des Vertragsangebots sofort entscheiden, doch sei dies rechtlich in Ordnung, so das BAG.
Für die Praxis:
Häufig bietet es sich an, im Falle des Verdachts einer erheblichen Pflichtverletzung nicht sofort mit einer fristlosen Kündigung zu reagieren, sondern erst einmal in einem Personalgespräch einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Es besteht hier keine Pflicht, dem Arbeitnehmer vorab anzukündigen, dass es bei einem Personalgespräch um einen Aufhebungsvertrag gehen soll.
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